Kaum eine andere Stadt in Deutschland konnte in den vergangenen Jahren einen so starken Zuzug verzeichnen wie Berlin. Die Hauptstadt gilt insbesondere unter jungen Menschen und agilen Unternehmen als beliebte Adresse, sowohl zum Leben als auch zum Arbeiten. Doch der hohe Andrang ließ die Mietpreise ebenso in die Höhe schießen, bezahlbarer Wohnraum im Zentrum ist fast schon zu einer Rarität geworden.
Wer heute in die pulsierende Hauptstadt ziehen möchte, muss also oft lange suchen und Angebote gründlich miteinander vergleichen. Eine Wohnung mieten in Berlin ist nämlich gar nicht mal so einfach, aber dank des Internets ist es dennoch möglich. Regelmäßig Ausschau halten und eine ordentliche Bewerbung sind dabei fast schon Voraussetzungen, um eine günstige Wohnung finden zu können. Denn die Nachfrage ist im Normalfall weitaus höher als das Angebot, auf jede Anzeige melden sich Dutzende von Bewerbern. Dieser Trend wird so schnell nicht verschwinden, denn Berlin wächst, während der Neubau stagniert.
Deutschland gilt mit seiner niedrigen Eigentumsquote europaweit ohnehin bereits als Mieterland, doch das wird in der Hauptstadt umso deutlicher. Rund 1,6 Millionen der insgesamt 2 Millionen Wohnungen werden vermietet, das entspricht einem Anteil von über 80 Prozent. Das unterstreicht, wie wichtig ein gesunder Mietmarkt für Berlin ist und viele zugezogene Einwohner auf Mietwohnungen schlichtweg angewiesen sind.
Zum Vergleich: Bundesweit leben etwas mehr als 50 Prozent aller Menschen zur Miete, damit ist die Wohneigentumsquote mit 50 Prozent gleich nach der Schweiz das Schlusslicht in Europa. Frankreich kommt auf fast 65 Prozent, die Benelux-Länder auf rund 70 Prozent und Spanien sowie Italien auf etwa 75 Prozent. Im EU-Schnitt sind es dann immer noch fast 70 Prozent (wobei die Schweiz natürlich nicht dazu zählt). Das macht Deutschland mit Hinblick auf diesen Aspekt zum Schlusslicht aller EU-Länder.
Berlin konnte in den vergangenen 20 Jahren bereits einen starken Zuzug verzeichnen, doch die Mietpreise bewegten sich weiterhin auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau. Die lockere Geldpolitik sorgte zwar eigentlich für ideale Verhältnisse für den zügigen Neubau. Aber demgegenüber standen strikte Vorschriften zur Energieeffizienz sowie Unsicherheiten durch den heute verfassungswidrigen Mietendeckel.
Das Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage driftete dadurch immer weiter auseinander, ehe die Mietpreise in den vergangenen fünf Jahren förmlich explodierten. Vor allem der Mietspiegel in Berlin macht die Entwicklung deutlich. In Q1 2018 lag er für Wohnungen bei unter 12 Euro pro Quadratmeter, in Q1 2023 stieg er auf über 18 Euro pro Quadratmeter an. Das entspricht einem Zuwachs von rund 50 Prozent, weit oberhalb der durchschnittlichen Inflation.
Speziell im Jahr 2022 war der Anstieg für Neumieter deutlich spürbar. Hohe Nachfrage, knappes Angebot und starker Zuzug nach dem Wegfall aller Beschränkungen gepaart mit einer hohen Inflation führten zu einem historischen Anstieg von 3 Euro pro Quadratmeter. Es gibt zwar eine gültige Mietpreisbremse in Berlin, doch diese konnte die hohen Preise nicht verhindern. Die Mietpreise für Häuser konnten sich bei etwas über 20 Euro pro Quadratmeter zunächst fangen.
Experten und Regierung sind sich einig, nur der zügige Neubau kann die Preise mittel- bis langfristig stabilisieren, insbesondere im Hinblick auf die anhaltend hohe Migration. So ruft die Bundesregierung bereits seit Jahren zur Bauoffensive aus, die jedoch das selbsterklärte Ziel praktisch immer verfehlt. Denn besonders zur jetzigen Zeit gibt es einige wichtige Gründe, die einen Neubau erschweren.
So musste die Europäische Zentralbank den Leitzins deutlich anheben, um die Inflation zu bekämpfen. Das führte aber auch dazu, dass Finanzierungskredite heute umso teurer sind. Hinzu kommt der Mangel an ausgebildeten Fachkräften, die den Neubau überhaupt erst ermöglichen könnten. Strikte und kostspielige Vorgaben zur Energieeffizienz, langwierige Genehmigungsverfahren und Mietpreisbindung sind weitere Gründe, die einer attraktiven Rendite entgegenstehen.
Das alles hat den Neubau fast schon zum Erliegen gebracht. Im Jahr 2023 sind momentan 253 Projekte in konkreter Planung, die meisten davon sollen zu neuen Mietwohnungen werden. Insgesamt sind fast 40.000 Einheiten geplant. Doch nur ein kleiner Teil davon liegt innerhalb des S-Bahn-Rings, es handelt sich also überwiegend um neue Wohnobjekte in den Außenbezirken.
Ebenso wird der Ausbau an Sozialwohnungen weiter vorangetrieben, um zumindest den sozial schwachen Einwohnern Berlins weiterhin eine bezahlbare Option bieten zu können. Da der Bau in den Randbereichen weitaus günstiger ist, überrascht es nicht, dass dort die meisten neuen Sozialwohnungen entstehen. Allen voran Lichtenberg, Spandau und Marzahn-Hellersdorf profitieren von dieser Initiative.
Die Gesamtanzahl an Sozialwohnungen ist in Berlin jedoch rückläufig, denn die Sozialbindung ist nicht dauerhaft. So stehen die Wohnungen nach einiger Zeit dem freien Mietmarkt zur Verfügung, Vermieter entscheiden sich dann natürlich zunehmend für eine gewinnbringende Vermietung ohne Sozialbindung. Deswegen ist ein stetiger Ausbau des Angebots wichtig, um die wegfallenden Sozialwohnungen zumindest zu kompensieren.
Die hohen Baukosten und Mietpreise sowie das sich ändernde Familienbild beschleunigen den Trend zu kleineren Wohnungen. Während vor zehn Jahren noch jeder zweite Neubau fünf oder mehr Räume hatte, ist heute maximal nur noch jede zehnte Wohnung im Neubau. Das ist natürlich auch dem Lebensstil vieler Berliner (und Einwohner in Deutschland) geschuldet. Viele leben heute häufiger als Single oder gründen zunehmend kleinere Familien.
Gleichzeitig ist der Anteil an neu gebauten 1- und 2-Zimmer-Wohnungen erheblich gestiegen. Mittlerweile fällt nämlich jede zweite Wohnung im Neubau in diese Kategorie. Im Zentrum von Berlin sind die Wohnungen aufgrund der höheren Preise für den Baugrund etwas kleiner, in den Randbezirken hingegen etwas größer. Im Schnitt ist die typische Berliner Wohnung heute etwas mehr als 70 Quadratmeter groß.
Trotz aller Maßnahmen und angekündigter Bauoffensiven ist über die nächsten Jahre keine Entspannung in Sicht. Zwar sind die Kaufpreise aufgrund der hohen Zinskosten in vielen Städten kurzfristig zurückgegangen, doch auf die Mietpreise hat sich das nicht ausgewirkt. Der Effekt könnte sich sogar noch verstärken, da die hohen Finanzierungskosten den Neubau stark ausbremsen.
Aufgrund der angespannten Lage und dem langsamen Neubau ist kurz- bis mittelfristig eher mit weiteren Anstiegen als mit einer Entspannung zu rechnen. Der Zuzug nach Berlin bleibt ebenfalls weiterhin hoch, was die Preise weiter antreiben wird. Kleinere Wohnungen und zunehmende Verlagerung in die Randbezirke ermöglichen zwar weiterhin günstige Optionen, doch im Schnitt steigen die Preise dadurch ebenfalls an.